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Suva stoppte letztes Jahr 83 Baustellen per sofort

  • von Jessica Weber
  • 16 Apr., 2019

Asbest-Verdacht

Claudia Badertsche/ SRF

Dienstag, 06.03.2018, 20:10 UhrAktualisiert um 22:41 Uhr


  • Die Suva zählt bisher mehr als 2000 Asbest-Tote.
  • Doch auch heute ist der Umgang in der Schweiz oft noch fahrlässig: Die Suva musste allein letztes Jahr 83 Baustellen per sofort stoppen.
  • Arbeiter in Einsiedeln berichten von einem neuen Fall: Sie sind sich sicher, die Fasern eingeatmet zu haben.

Asbest: Das Baumaterial hat eine der grössten Industrie-Katastrophen der Schweiz ausgelöst. Mehr als 2000 Asbest-Tote hat die Suva bisher gezählt, die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen. Asbest galt einst als Wunderfaser. Doch inzwischen ist das Material in der höchsten Giftklasse gelistet und seit 1990 verboten.

Das Problem mit den Altlasten bleibt ungelöst

Nicht gelöst ist allerdings das Problem mit den Altlasten. In den meisten Häusern, die vor 1990 gebaut oder renoviert wurden, steckt asbesthaltiges Material – in unterschiedlichem Ausmass. Und diese Häuser kommen nun alle in die Jahre, werden abgerissen oder umgebaut. Findet sich dabei asbesthaltiges Material, ist grösste Vorsicht geboten.

Doch immer wieder wird damit in der Schweiz fahrlässig umgegangen – trotz Wissen um die Gefährlichkeit. Das zeigen Recherchen von «10vor10».

Die Schweizerische Unfallversicherung Suva – für die Kontrollen zuständig – muss immer wieder Baustellen per sofort stoppen, weil «trotz des Verdachts auf das Vorhandensein asbesthaltiger Materialien» die sogenannte Ermittlungspflicht nicht durchgeführt wurde.

So musste die Suva letztes Jahr in 83 Fällen gar eine «sofortige Einstellung der Arbeiten» verfügen. Der Betrieb muss dann den Verdacht ausräumen und Schutzmassnahmen umsetzen. Weitergearbeitet werden darf erst danach.

Doch Gefahr droht auch bei der Entsorgung. Nun berichten Arbeiter in Einsiedeln von einem neuen Fall. Sie sind sich sicher, die hochgiftigen Fasern eingeatmet zu haben – und befürchten nun, tödlich zu erkranken. Die drei berichten übereinstimmend: Sie hätten immer wieder ohne Schutz mit altem Eternit arbeiten müssen. Eternit, das älter ist als 1990, enthält meist Asbest.

Arbeiter berichten: Wir haben Asbest-Fasern eingeatmet

So lange sie festgebunden sind, sind die Fasern unbedenklich. Für die Bewohner der Häuser besteht darum keine Gefahr. Doch werden die Fasern freigesetzt und eingeatmet, können sie tödliche Krankheiten wie Lungenkrebs und Brustfellkrebs – das Mesotheliom – auslösen.

Der Bund schreibt für das Arbeiten mit asbesthaltigem Eternit vor: «Mechanische Einwirkungen wie Fräsen, Bohren oder Zerbrechen sind zu vermeiden.» Denn dabei werden potenziell viele der gefährlichen Fasern freigesetzt. Im Umgang mit asbesthaltigem Material ist Atemschutz obligatorisch, je nach den Umständen auch Spezialschutzkleidung. Zuständig für die Ermittlung der Risiken ist der Arbeitgeber.

Die drei Männer arbeiteten im Entsorgungs-Center «Schädler Mulden AG» in Einsiedeln im Kanton Schwyz. Zum Beispiel mit altem Well-Eternit oder den sogenannten «Stromer-Tableaus». Einer der Arbeiter erzählt: «Das Well-Eternit wurde palettiert angeliefert. Wenn es alt war, war es mooshaltig und brüchig – und wenn man es berührt hat, ist es zerbröselt.»

Solches Material sei ohne Vorwarnung nahe der Arbeiter gekippt worden. Danach habe einer es mit einem Stapler in eine Mulde werfen müssen. Und: «Dann mussten wir es noch mit dem Bagger zerstossen und zerkleinern – wobei sich regelmässig Staub entwickelte». Die Arbeiter sagen, sie hätten von einer Ladung eine Probe genommen und eingeschickt. Das Labor-Ergebnis legen sie «10vor10» vor. Es zeigt: Die Probe enthielt festgebundenes Asbest.

«In der heutigen Zeit ein absoluter Skandal»

Atemschutz habe man auch bei der Arbeit mit alten Elektro-Tableaus aus Eternit nicht getragen. Sind diese asbesthaltig, dürften sie nur von Suva-anerkannten Asbestsanierungsunternehmen zerlegt werde. Alte Tableaus seien von Elektrikern zwar korrekt staubdicht verpackt angeliefert worden. Aber: «Diese Säcke mussten wir dann aufschneiden, um die Tableaus auseinanderzunehmen».

Für Karl Klingler, Mitgründer der Vereinigung für Asbestopfer und Angehörige und Lungenarzt an der Zürcher Hirslanden-Klinik, ist das verantwortungslos: «Das ist natürlich in der heutigen Zeit ein absoluter Skandal. Man müsste eigentlich meinen, dass man aus der Vergangenheit etwas gelernt hat.»

Beim Kippen von Eternit entstehe keine Staubwolke

Die «Schädler Mulden AG» nimmt schriftlich Stellung: «Anlieferungen von Eternit sind selten (im Durchschnitt wohl weniger als einmal monatlich).» Wie alt der Eternit war, sei unklar. Es sei möglich, dass dieses Asbest enthalten habe. «Nicht zutreffend ist aber, dass beim Kippen von Eternit eine Staubwolke entsteht. Ausserdem ist darauf hinzuweisen, dass wir über eine Berieselungsanlage verfügen. Wenn sich daher Staub bildet, ist es in der Verantwortung der Mitarbeiter, diese Anlage in Betrieb zu nehmen.» Und: «Uns ist völlig unbekannt, ob, wann, von wem und wo Proben genommen worden sind.»

Elektro-Tableaus seien zudem nicht demontiert, sondern ohne weitere Verarbeitung weitergeleitet worden. Weiter schreibt die Firma: «Wir wurden von den Mitarbeitern zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass weitere Schutzbekleidung oder Atemmasken benötigt werden, sonst hätten wir diese selbstverständlich umgehend abgegeben.»

David Husmann, Anwalt der Arbeiter und Präsident des Vereins für Asbestopfer und Angehörige, sagt, da sei die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verletzt worden. Er prüft jetzt auch strafrechtliche Schritte.


von Jessica Weber 8. März 2019

Ein gutes Geschäft mit einem schalen Beigeschmack: Die SBB hat 25 sanierungsbedürftige Reisezugwagen nach Tschechien verkauft. Eine Million Franken hat sie dafür kassiert. Und dazu hat sie sich auch noch eines Problems entledigen können: Die Wagen enthielten nämlich Asbest.

Die Freude über den gelungenen Deal ist SBB-intern unverkennbar. Dies zeigt auch ein Tweet, der dazu von einem Mitarbeiter abgesetzt wurde: «SBB hat Kleinstserie an asbestbelasteten Fahrzeugen verkaufen können. Gut so.»

«SBB nimmt Verantwortung ernst»

Die SBB setzt sich damit dem Verdacht aus, ein unangenehmes Problem einfach «exportiert» zu haben. Davon will die Bahn allerdings nichts wissen. Im Gegenteil: «Die SBB nimmt die Verantwortung bezüglich Asbest sehr ernst. Das haben bisherige Entsorgungen und Sanierungen gezeigt», teilte die Medienstelle auf Anfrage mit.

«Es handelt sich - wie bereits im Juli 2016 mitgeteilt - um gebundenes Asbest in kleinen Mengen, das nur bei Schleifarbeiten, wie sie zum Beispiel bei Rostsanierungen durchgeführt werden, gelöst werden kann. Es besteht und bestand nie eine Gefahr für Fahrgäste», schreibt die SBB.

Unbemerkt Medienmitteilung verschickt

Dass die SBB ausgerechnet in den Sommerferien über den Deal mit der tschechischen Bahn RegioJet informiert hat, ist nur einem kleinen Kreis bekannt. Denn die besagte Medienmitteilung mit dem Titel «SBB verkauft 25 sanierungsbedürftige Wagen an die tschechische Bahn RegioJet» wurde nur an die Fachpresse versandt - vom Grossteil der Medienschaffenden unbemerkt.

Selbst der Schweizerische Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verband (SEV) hat nichts davon gewusst. «Der konkrete Fall ist uns nicht bekannt gewesen», sagte Manuel Avallone, SEV-Vizepräsident und zuständig für die SBB, von der Nachrichtenagentur sda mit dem Verkaufsgeschäft konfrontiert.

SEV: «Moralisch verwerflich»

«Der Deal dürfte wohl juristisch korrekt abgelaufen sein», sagte Avallone. «Moralisch ist es aber sicher verwerflich, wenn die asbestbelasteten Wagen einfach ins Ausland verkauft werden.» Da stellten sich doch ethische und moralische Fragen.

Für den SEV-Vizepräsidenten ist dieser Sachverhalt umso erstaunlicher, als die SBB in ihrem Umgang mit dem Asbestproblem sonst vorbildlich handle. So werde die Gewerkschaft immer sofort orientiert, wenn irgendwo Asbest gefunden werde. Anschliessend würden sofort alle notwendigen Schutzmassnahmen getroffen. Es gebe eine ganze Reihe von genau festgelegten Prozessen, wie damit umgegangen werden müsse und wie die anschliessende Sanierung ablaufe.

Tatsächlich hat die SBB bis ins Jahr 2010 das gesamte Rollmaterial systematisch asbestsaniert oder asbesthaltiges Rollmaterial gezielt verschrottet. Die SBB hätte die 25 verkauften Wagen übrigens ohnehin ausrangiert, schreibt die Bahn. Zwar nicht wegen der Asbestspuren, sondern weil sie im Betrieb sehr teuer, eine Sanierung vor allem aufgrund des Rostbefalls sehr aufwendig gewesen wäre und es sich um eine Kleinstflotte gehandelt habe.

SBB hat sich abgesichert

Immerhin hat sich die SBB auch im Fall des Tschechien-Deals rückversichert. Der Verkauf sei vorgängig sorgfältig mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) abgeklärt worden, heisst es.

Das BAFU habe nach Prüfung eines Antrages der SBB und der eingereichten Dokumentation am 13. Juni 2016 die Bewilligung für die Ausfuhr von 25 Bahnwagen erteilt, die kleine Mengen von gebundenem Asbest enthielten, hiess es beim Bundesamt.

Auflagen seien keine verfügt worden, da die vorgesehenen Massnahmen der SBB zur Sicherstellung der korrekten Sanierung und Entsorgung als ausreichend beurteilt worden seien. Der Verkauf und Export von asbesthaltigen Gegenständen darf übrigens nur erfolgen, wenn eine solche Ausnahmebewilligung erteilt wird.

Auch vertraglich hat sich die SBB abgesichert. Im Kaufvertrag habe sich die neue Besitzerin RegioJet verpflichtet, die Fahrzeuge in einem von der EU anerkannten Betrieb asbestsanieren zu lassen und dies der SBB und dem BAFU zu melden.

Für SEV-Vizepräsident Avallone ist dies nur schwer nachvollziehbar. Denn die SBB selber wisse am besten, wie man mit dem Problem umgehe. Sie hätte die Wagen auch selber sanieren können. Die tschechische Bahn werde die vereinbarte Asbestsanierung wohl auch durchführen. «Aber unter welchen Bedingungen? Das ist die entscheidende Frage.»

(sda/ccr)


Veröffentlicht 24.10.2016, Bilanz Unternehmen

von Jessica Weber 8. März 2019
(sda) Die Museumsstücke lagern teilweise seit 25 Jahren in den Kellerräumen eines Gebäudes in Frauenfeld, welches der Versicherungsgesellschaft AXA Leben gehört. Anfang Jahr wurden bei Sanierungsarbeiten Asbestfasern gefunden.

In der Schweiz sind immer wieder Asbestsanierungen nötig. Auch Gebäude des Kantons waren mehrfach betroffen. Nun stehen die Verantwortlichen in der Kantonshauptstadt Frauenfeld aber vor einem noch nie da gewesenen Fall.

35 000 Bilder, Textilien und weitere historische Objekte müssen gereinigt werden, weil sich darauf krebserregende Fasern befinden können. «Eine derart spezielle Asbestsanierung hat es in der Schweiz wahrscheinlich noch nie gegeben», sagte der Thurgauer Kantonsbaumeister Erol Doguoglu der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Weil die Sammelstücke beschädigt werden könnten, muss für jedes Objekt einzeln überlegt werden, wie es gereinigt werden kann. Deshalb seien Restauratoren und Asbestspezialisten beauftragt worden, ein Reinigungs-Konzept zu erstellen. Dieses wird im Auftrag der Hauseigentümerin und in engem Austausch mit dem Kanton ausgearbeitet und soll im Herbst vorliegen.

Noch unklar, wieviel die Reinigung kostet

«Da es zu aufwendig wäre, jedes einzelne Stück auf Asbestfasern zu testen, müssen wahrscheinlich sämtliche Exponate gereinigt werden», sagte Doguoglu. Wieviel die Reinigungs-Prozedur kosten wird, ist unklar. «Über die Kosten kann im Moment nur spekuliert werden. Wir müssen zuerst die Erkenntnisse der Fachspezialisten abwarten», sagte der Kantonsbaumeister.

Zur Zeit laufen Verhandlungen darüber, wer die Kosten für die Asbestsanierung tragen wird. Weitere Angaben dazu wollte der Projektleiter nicht machen. Der Kanton werde sich aber dafür einsetzen, dass nicht die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, sagte Doguoglu.

Gefahr für Mitarbeiter

Der Asbest war bei Sanierungsarbeiten im vergangenen Februar entdeckt worden. Das betroffene Gebäude in Frauenfeld wurde umgehend vorsorglich geräumt. Die Arbeitsplätze des Amtes für Umwelt, der Polizei und des Historischen Museums wurden in den Frauenfelder Nachbarort Felben verlegt.

Zuerst hatte der Kanton mitgeteilt, dass für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine gesundheitliche Gefährdung bestehe. Nach weiteren Befunden korrigierte der Kanton diese Aussage jedoch. Zwar werde das Gesundheitsrisiko aus arbeitsmedizinischer Sicht als relativ gering eingestuft.

Bei einzelnen Personen, die über längere Zeit in den Untergeschossen der Liegenschaft in Archiven und Depots gearbeitet hätten, könne eine gesundheitliche Gefährdung nicht mehr vollständig ausgeschlossen werden.

Da eine Erkrankung meist erst Jahrzehnte nach dem Kontakt mit Asbest-Fasern auftritt, würden betroffene Mitarbeiter auf ihren Wunsch vorsorglich bei der Suva angemeldet, sagte Doguoglu. Die Suva führe eine entsprechende Datenbank, auf welche bei einer späteren Erkrankung zurückgegriffen werden könne. Wenn ein Zusammenhang zu einer Erkrankung bestehe, übernehme die Suva die Kosten.

Tödliche Folgen

Bis eine asbestbedingte Krankheit ausbricht, kann es gemäss dem Forum Asbest Schweiz bis zu 45 Jahre dauern. Viele Betroffene leiden an einem bösartigen Tumor im Brust- oder Bauchfellbereich (Mesotheliom). Die Tumore entstehen durch das Einatmen von Asbestfasern.

Wie viele Todesfälle in der Schweiz zu Lasten von Asbest gehen, sei unbekannt, sagte der Asbest-Experte Stephan Baumann, der unter anderem den Kanton Thurgau berät. An einem Mesotheliom sterben laut dem Bundesamt für Statistik pro Jahr rund 120 Personen.

Asbest wurde ab 1900 breit in Industrie und Technik verwendet. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die mineralischen Fasern dank ihrer einzigartigen Eigenschaften einen Boom. Dieser dauerte bis Mitte der 1980er Jahre. Die meisten Asbestanwendungen wurden in der Schweiz ab März 1990 verboten.


Veröffentlicht: 10.9.2018, 10:16 Uhr, Neue Zürcher Zeitung

von Jessica Weber 26. Februar 2019

Mithilfe des Gratis-Sets der Sicherheitskommission können die Schreiner eine Probe nehmen, ohne sich zu gefährden. Bild: Martin Freuler

Altlasten.  Rund 500 000 Tonnen Asbest sind in der Schweiz bis zum Verbot 1990 verbaut worden. Das hochgefährliche Material kann bei Umbauten unerwartet hervortreten. Erich Erb von der Sicherheitskommission Schreinergewerbe sagt, wie man böse Überraschungen vermeiden kann.


SchreinerZeitung: Warnungen sind im ersten Moment beunruhigend, dann gewöhnt man sich daran – und irgendwann nimmt man sie nicht mehr ernst. Das ist doch beim Asbest nicht anders.

Erich Erb: Sie sprechen einen heiklen Punkt an. Ich kann aber sagen: Beim Asbest ist es anders. Man weiss heute sehr viel darüber. Die Suva hat in Zusammenarbeit mit der Branche hervorragende, praxistaugliche Hilfsmittel geschaffen. So zum Beispiel die Broschüre «Asbest erkennen, beurteilen und richtig handeln». Diese wertvollen Unterlagen geben den Schreinern die nötige Sicherheit im Umgang mit Asbest. Ein Problem ist indessen, dass dies lange nicht so war, viele Unklarheiten bestanden und die Handwerker deshalb nicht gerne darüber sprachen. Asbest war ein Tabuthema. Und weil man das Thema eher verdrängte, wurden sicher auch noch Fehler gemacht, als man eigentlich die Gefahren schon kannte. Ohnehin war es am Anfang nicht ganz einfach, richtig zu handeln. Das Gesetz sagt nur, was zu tun ist, nicht aber, wie man es in der Praxis umsetzen kann. Heute finden die Schreiner die nötigen Informationen auf der Internetseite der Suva.

Was soll denn ein Schreiner tun, wenn er in einem Objekt Asbest findet? Er will nicht seinen Chef und seinen Kunden verärgern. Also macht er weiter. Er muss die Arbeit sofort einstellen und seinen Vorgesetzten informieren! Bereits bei Asbestverdacht besteht für den Betrieb die Ermittlungspflicht. So steht es in Artikel 60 der Bauarbeitenverordnung. In Gebäuden, die vor dem Asbestverbot von 1990 erstellt worden sind, muss immer mit Asbest gerechnet werden. Der Schreiner stoppt die Arbeit und informiert den Chef, um sich und seinen Kunden zu schützen. Denn setzt er Asbest frei, bringt er alle in Gefahr, die im betroffenen Haus ein- und ausgehen. Oft hört man, dass sich ein Handwerker bei grobfahrlässigem Umgang mit Asbest nur selber gefährde. Das ist natürlich falsch. Dennoch: Der Schreiner gerät in Erklärungsnot, wenn er auf Asbest stösst, das für viel Geld durch Spezialisten entfernt werden muss. Er hat für den Auftrag einen Zeitplan und eine Offerte gemacht, beides ist nur noch Makulatur. Deshalb ist es sehr wichtig, schon im Vorfeld seriös abzuklären, ob Asbest vorliegt oder nicht. Die Sicherheitskommission Schreinergewerbe bietet dazu Gratis-Sets an, mit denen der Schreiner einfach und sicher eine Probe nehmen und einschicken kann. Die Analyse in einem akkreditierten Labor dauert in der Regel zwei bis drei Tage und ist bereits ab 60 Franken pro Probe erhältlich. Rund 1000 Gratis-Sets versenden wir pro Jahr an Schreinereien. Man soll das Angebot wirklich nutzen. Jeder Projektleiter sollte ein solches Set dabei haben, wenn er für einen neuen Auftrag in ein Haus geht, das vor 1990 gebaut worden ist. Lieber eine Analyse zu viel machen lassen als eine zu wenig. Vorabanalysen schaffen Klarheit, verhindern gesundheitliche Gefährdungen, einen plötzlichen Baustopp und nicht offerierte Mehrkosten. Erst wenn man weiss, ob eine Asbestbelastung vorliegt, kann man fundiert offerieren. Wichtig ist auch, dass man sich absichert, es kann bei einem Umbau etwas Unerwartetes zu Tage treten. Wie kann man sich absichern? Indem man im Werkvertrag eine schriftliche Vereinbarung mit dem Kunden trifft. Der Schreiner kann so die Haftung beschränken oder ausschliessen, falls sich die Situation ändert, weil zum Beispiel Asbest gefunden wird. Jedoch kann man die Haftung nicht für grobfahrlässige oder vorsätzliche Handlungen beschränken. Sinnvollerweise hält der Unternehmer auch noch fest, dass seine Mitarbeiter mit der nötigen Sorgfalt vorgehen, um Schaden zu vermeiden. Wer muss Asbestsanierungen bezahlen? Geht die Schreinerei korrekt vor, ist immer der Hauseigentümer zahlungspflichtig. Die Schreinerei kann nur zur Kasse gebeten werden, wenn sie durch unsachgemässen Umgang mit Asbest Schäden verursacht. Dann wird das Unternehmen haftpflichtig gegenüber Mitarbeitern und Kunden. Das kann teuer werden, zum Beispiel, wenn ein ganzes Gebäude dekontaminiert werden muss. Betriebshaftpflichtversicherungen decken Asbestschäden oft nicht ab. Bei grobfahrlässigen und vorsätzlichen Handlungen muss das Unternehmen auch mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Manchmal hat man vielleicht das Gefühl, dass es sich wegen einer kleinen Menge nicht lohnt, grossen Wirbel zu machen. Man möchte nicht alle aufschrecken und verunsichern. Das wäre falsch. Aufklärung ist zwingend. Wie eingangs erwähnt, besteht bereits bei Asbestverdacht eine gesetzliche Ermittlungspflicht. Aber es ist wohl so, dass gerade in diesem Punkt in der Vergangenheit Fehler gemacht worden sind. Man kann niemandem einen Vorwurf machen, denn man hat lange Zeit einfach nicht das notwendige Wissen gehabt. Zum Glück sind wir heute einen grossen Schritt weiter und können uns auch informieren, zum Beispiel mit der erwähnten Suva-Broschüre. Man kann sich übrigens auch jederzeit telefonisch an mich wenden (siehe Box). Können Schreiner auch selber Hand anlegen, um Asbest zu entfernen? Nur unter ganz bestimmten Bedingungen – und wenn sie die dafür nötigen Massnahmen treffen. Beispielsweise können sie selber mit einem Stechbeitel asbesthaltigen Fensterkitt entfernen. Sie müssen sich aber mit Feinstaubmaske und Gummihandschuhen schützen. Zudem dürfen sie diese Arbeiten nur im Freien ausführen. Und sie müssen den entfernten Kitt auch gemäss den kantonalen Vorschriften richtig entsorgen. Der Reiz ist gross, auch mal etwas zu riskieren, wenn es schnell gehen muss. Als Schreiner kann man punkten, wenn man umsichtig plant. Sicher nicht, wenn man unüberlegt handelt. Im Zusammenhang mit Asbest hört man oft, dass die Sanierung hohe Kosten verursacht und Zeit kostet. Doch es geht nicht nur ums Geld, sondern um Menschen. Es ist doch nachvollziehbar, dass man Mitarbeiter nicht krank machen darf, nur um ein Projekt schneller und günstiger abschliessen zu können. Ein Schreiner verbaut sich nichts, wenn er korrekt vorgeht, eine Probe nimmt und auf Asbest prüfen lässt. Hingegen verliert er viel, wenn es später heisst: «Unser Küchenboden hatte Asbest drin, doch der Schreiner hat ihn einfach rausgerissen.» Schreiner müssen sich mit Asbest herumschlagen und hohe Suva-Prämien in Kauf nehmen, obwohl sie kaum die Verursacher des Problems sind. Das ist richtig. Schreiner haben sicher nicht im grossen Stil asbesthaltige Materialien verbaut. Und dennoch führt kein Weg daran vorbei, dass man sich dem Thema stellt. Schreiner zeigen immer wieder, dass sie ihre Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und der Gesellschaft wahrnehmen. Beim Asbest darf man keine Ausnahme machen. Und dennoch soll es nicht so wirken, als falle man wegen des Asbests in Panik. Die Bewältigung des Themas darf nicht dazu führen, dass alle denken: «Passt auf, ihr habt einen lebensgefährlichen Beruf!» Denn das stimmt nicht, wenn man verantwortungsbewusst und vorsichtig ist. Aber es ist klar, dass uns das Thema noch lange begleiten wird, weil Asbest noch in vielen Gebäuden verbaut ist. Das Material ist schon längst verboten, und dennoch steigt die Zahl der Asbest-Todesfälle weiter an. Ist das ein wirkungsloses Verbot? Nein, die Zunahme hat allein mit der langen Latenzzeit von asbestbedingten Krankheiten zu tun. Es dauert 15 bis 45 Jahre, bis ein Mensch krank wird, der zu viele Asbestfasern eingeatmet hat. Gegen Ende der 1970er-Jahre erlebte der Asbest-Import in die Schweiz seine Hochblüte. Pro Jahr waren das bis zu 23 000 Tonnen. Die logische Folge davon ist, dass wir jetzt, 40 Jahre danach, branchenübergreifend einen Höchstwert bei den asbestbedingten Erkrankungen erleben. Aktuell sind es rund 120 Fälle pro Jahr. Es ist abzusehen, dass ab dem Jahr 2020 die Zahl wieder abnimmt. Bis Ende 2016 sind in der Schweiz rund 2180 Menschen an Asbest-Erkrankungen gestorben, davon etwa 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Schreinereien. Damit liegen die Schreiner in der Liste der meistbetroffenen Branchen an dritter Stelle. Asbesthaltige Materialien sind nur gefährlich, wenn man sie bearbeitet. Muss man sie zwingend entfernen, oder kann man sie auch im Haus lassen? Es besteht keine Sanierungspflicht, wenn die Fasern nicht freigesetzt werden. Dennoch kommt man bei einem Umbau kaum darum herum, die asbesthaltigen Bauteile zu entfernen, weil man sie meistens irgendwie tangiert. Eine andere Lösung wäre das Einpacken. Beispielsweise wäre es möglich, einen asbesthaltigen Wandbelag in der Küche einzukleiden, zum Beispiel mit einer dekorativen Abdeckung. Doch damit löst man das Problem nicht, man vertagt es einfach. Und es besteht die Gefahr, dass die Handwerker beim nächsten Umbau in 20 Jahren keine Kenntnis haben von der Asbestbelastung und Fasern freisetzen. Man muss deshalb unbedingt die asbesthaltigen Bauteile kennzeichnen – in den Plänen und mit einem Kleber auf den Teilen selbst. Und wenn man davon ausgeht, dass in 20 Jahren der Asbest ohnehin entfernt werden muss, kann man es auch schon heute tun. Sie haben gesagt, dass es falsch wäre, Angst zu haben. Doch nach all dem, was man über Asbest erfährt, fällt es einem schwer, die Fassung zu bewahren. Es ist eben doch ein teuflisches Material. Man macht sich sicher seine Gedanken, das ist so. Auch ich hatte früher Kontakt mit Asbest. Doch man kann nicht mehr ändern, was früher war. Wir müssen vorausschauen. Zum Glück kann man sich heute vor Asbest schützen. Es geht jetzt darum, möglichst viel voneinander zu lernen und dafür zu sorgen, dass es keine neuen Fälle mehr gibt. Das sind wir den jüngeren Schreinerinnen und Schreinern schuldig. Letztlich gibt es doch ein ganz grosses, übergeordnetes Ziel: Wir wollen bei der Ausübung unseres tollen Berufs gesund bleiben. Für das setze ich mich mit aller Kraft ein.

Veröffentlichung: 01. November 2018 / Ausgabe 44/2018https://www.schreinerzeitung.ch/de/artikel/angriff-gegen-asbest-0
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